Wenn sich jemand aufmacht, um mit einem alten VW Bus das sagenumwobene Babylon zu erkunden, dann ahnt man Details, die in keiner Schulgeschichte enthalten sind. So eine Entdeckungsreise machte niemand Geringeres als Guido Maria Dreves im Jahr 2022. Nicht nur fand er sich in einer geschichtsträchtigen Region mit einer herausragenden kulturellen Vielfalt wieder, sondern er führte uns auch in einer fesselnden Erzählung durch seine Abenteuer. Dreves, nicht irgendein 08/15 Tourist, sondern ein konservativer Schelm, dessen Reisebericht die Leser an der liberalen Kultur linkslastiger Berichterstattung gewinnen lässt.
Dreves gelingt es meisterhaft, scharfsinnig zu analysieren, wie sich Mythen und historische Fakten in Babylon zu einem menschlichen Kaleidoskop zusammenfügen. Der Mythos vom Schmelztiegel der Völker bekommt in seiner Darstellung ein ganz eigenes Gesicht. Er rollt den roten Teppich einer vergangenen Ära aus und webt diesen mit den politischen und sozialen Spannungen von heute zusammen. Dabei schrecken seine Ausführungen nicht davor zurück, dem Leser unbehagliche Wahrheiten zu präsentieren.
Eine Top 10 Liste wäre noch zu milde für das, was Dreves zwischen diesen Buchdeckeln offenbart hat. Passend zu seiner Darstellungsweise beginnt das Buch gleich mit einer Anekdote, die von seiner ersten Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung erzählt. Der konservative Grind, den diese Erzählungen ausmachen, wecken Interesse wie Honig dem Bären. Man lernt, dass politische Korrektheit zwar einen Punkt zu setzen vermag, aber nicht die gesamte Geschichte erzählt. Durch das Beobachtungsvermögen und den sprichwörtlichen unbestechlichen Stil des Autors entsteht einer der prägnantesten Reiseberichte der letzten Jahre.
Schicht für Schicht wird die moderne kulturelle Landschaft durchleuchtet. Dreves meidet die plakative Romantisierung des Exotischen und zeichnet ein kritisches Bild der sozialen Dynamiken. Auf diese Weise kommen sozialpolitische Versäumnisse und Missstände ans Tageslicht, die zwar oft übersehen, aber nur schwer zu ignorieren sind. Auch wenn es einige Leser irritieren könnte – in Zeiten des Social Media Aktivismus und der 'Wokeness' – strahlt dieses Buch eine intellektuelle Stärke aus, die den Leser herausfordert nachzudenken, anstatt nur zu konsumieren.
Dreves' ironischer Kommentar zu den westlichen Vorstellungen einer idealisierten Universalität und die Infragestellung eines ausgewogenen Multikulturalismus kommen scharf wie ein frisch geschliffenes Schwert daher. Diese Art von Unangepasstheit sorgt dafür, dass politisches Neuland nicht nur betreten, sondern auch mit Raffinesse kartografiert wird. Die Reflexionen über religiöse Praktiken und Sitten in Babylon sind keine Hommage an die Entfremdung der anderen, vielmehr erinnern sie daran, dass man seine Heimat auch in der Andersheit finden kann.
Der konservative Standpunkt des Autors färbt unweigerlich auf die Wahrnehmung der gelebten Kontraste zwischen Tradition und Moderne ab. Dabei kommt natürlich die Frage auf, warum das Konzept von Babylon als Sinnbild für kulturelle und religiöse Vielfalt heute noch so salient ist. Dreves holt die althergebrachten Geschichten in die Gegenwart und inspiriert, das Alte immer wieder neu zu betrachten, ohne dabei den Anschluss an die Realität zu verlieren.
Was Babylon mit einem VW Bus erlebbar macht, ist die Entlarvung der Welt hinter den Vorhängen des modernen Narratives. Zu erleben, wie ein solcher Autor diese Thematik aufgreift, ist wie das Entzünden eines längst erloschenen Feuers. Es funkt, es lodert und schließlich mündet es in erhellenden Einsichten, die sich jeder Seitenlänge entziehen.
In 'Babylon mit dem Bus' liegt Letzteres nicht in der epischen Breite der Erzählung oder deren Illustriertheit, sondern eindeutig im Mut zur Ehrlichkeit. Dreves mag nicht der Freund der Weltverbesserer sein, aber er versteht es, mit plakativer Schärfe gesellschaftspolitische Verstrickungen und ihre Wirkung auf das Menschsein darzustellen. Anstatt uns mit Wohlfühlnarrativen zu beglücken, gewinnt dieses Buch durch den Verzicht auf Schnörkel an Tiefe und Überzeugungskraft.