Fantasy hat einen besonderen Platz in den Herzen vieler Menschen erobert, als „Aufstieg der Inkarnate“ im Oktober 2023 die Regale betrat. Diese eindringliche Darstellung epischer Schlachten und tiefgründiger Charaktere ist nichts weniger als ein literarischer Aufruhr in einem Genre, das ohnehin schon mit unglaublichen Geschichten gespickt ist. Insbesondere wenn man bedenkt, dass sich der Schauplatz im mythischen Land Auroris befindet – eine Welt voller Magie, Schicksale und obligatorischen Opfern, die eine beinahe beleidigende Parallele zur heutigen Welt ziehen könnten.
Wer ist der geniale Kopf hinter dieser Veröffentlichung? Das ist Rahel Lyacon, ein Name, den sich Liebhaber von Fantasy-Literatur definitiv merken müssen. Doch warum ist gerade dieses Buch so ein Dorn im Auge vieler? Vielleicht, weil es sich nicht scheut, klare Linien zu ziehen, und in einer derzeit von Unsicherheiten dominierten Gesellschaft ziemlich deutliche Akzente setzt. Blicke hinter die romantische Fassade der Märchen und du wirst konfrontiert mit einem durchaus konservativen Menschenbild, das so manchem Leser aus dem progressiven Lager Probleme bereiten könnte.
Die Handlung wirft dich in eine Welt, in der Inkarnate – überirdisch begabte Krieger – dazu bestimmt sind, Land und Leute vor der drohenden Düsternis zu bewahren. Richtig gelesen: In einer Zeit, in der jede Figur mindestens drei Ebenen der Moral durchbrechen muss, um komplex genug zu erscheinen, wagt es „Aufstieg der Inkarnate“, klare, unmittelbare Helden zu präsentieren. Diese Kämpfer sind bodenständig, traditionell und haben sich einer Sache verschrieben, die größer ist als sie selbst: dem Erhalt der Weltordnung.
Der Charme dieses Buches liegt in seiner unerschütterlichen Einfachheit und dem unmissverständlichen Erzählstil, fernab jeglicher moralischen Relativierung. Lyacon hat nicht nur einfache Geschichten zu erzählen, sondern sie zielt darauf ab, ihre Leser unmittelbar und klar auf eine Werteordnung einzuschwören, die recht unmodern erscheint – Loyalität, Ehrgefühl und Opferbereitschaft stehen im Vordergrund.
Durch die Begleitung der Protagonisten wird man unweigerlich hineingerissen in die Eintönigkeit von Missionen, die so gar nicht dem entsprechen, was die heutigen Heldenreisen in punkto moralischer Grauzonen und Entscheidungsvielfalt darstellen. Kein Wunder also, dass gerade dieser Aspekt bei so manchem potentiellen Leser zum Stein des Anstoßes werden könnte.
Ein weiterer Stolperstein, den Lyacon bewusst platziert, ist die offensichtliche Anspielung auf aktuelle gesellschaftliche und politische Tendenzen. Im Laufe des Buches gibts Hinweise, die durchaus als Kritik an der vermeintlichen Modernisierung und Technokratisierung der Gesellschaft gelesen werden können. Gleichzeitig vertritt „Aufstieg der Inkarnate“ die Auffassung, dass das bilateralste Mittel im Arsenal das vielleicht effektivste ist: die klare Trennlinie zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch.
Der Umgang mit den Furchen und Rissen innerhalb der Gemeinschaft von Auroris wirkt wie ein Spiegel auf die so oft ignorierten Widersprüche unserer realen Welt. Im Ringen um Macht und Vorherrschaft drängt sich die Philosophie der Inkarnate geradezu auf, die sich durch vorbildhaftes Handeln und unnachgiebigen Mut auszeichnet. Diese Eigenschaften, die in unserer von Selbstverwirklichung und Individualismus geprägten Zeit als überholt gelten könnten, werden hier gnadenlos hochgehalten und verherrlicht.
Man könnte meinen, Rahel Lyacons Werk zielt darauf ab, jene selbstverliebten liberalen Tagträumer zu provozieren und zurück zur jahrhundertealten, bewährten Weisheit zu führen, das Gemeinwohl über den Individualismus zu stellen. Trotz oder gerade wegen der simplicity scheut Lyacon vor keinem Moment der Konfrontation zurück. Einige Passagen bieten dringend notwendige Kritik an der heutigen Entfremdung von uralten Tugenden und lehren uns stattdessen, das Schlichte und Ehrliche zu verehren.
„Aufstieg der Inkarnate“ hält den moralischen Verfall unserer Tage mit der kristallklaren Linse der Gerechtigkeit und des traditionellen Wertekanons in Schach. Ob dies nun gefällt oder nicht, bleibt jeder eigenen Meinung überlassen. Aber eines ist sicher: Dieser Roman bleibt nicht einfach auf den „Aha!“-Effekt beschränkt, sondern geht tiefer. Mag sein, dass nicht jede Seite einfach konsumierbar ist, und vielleicht gerade deswegen verdient er einen besonderen Platz auf dem Bücherregal eines jeden, der die Forderung nach Wahrheit und Anspruch höher schätzt als das aktuelle Chaos.
Letztendlich zeigt dieses Werk, dass das Fantasy-Genre mehr kann, als nur zu unterhalten. Es kann ein Weckruf sein – ein Triumph traditioneller Werte über die Beliebigkeit und ein Appell für Standhaftigkeit und Mut. Wer das versteht, hat einen wertvollen Schatz in den Händen, der weit über schmückende Worte hinausgeht.