Albert F. Mummery war kein gewöhnlicher Mann, sondern ein Draufgänger des 19. Jahrhunderts, der in den Schweizer Alpen sein Zuhause fand. 1855 im biederen England geboren, wo das Wetterschlagen am Rande der Zivilisation kaum aufregend schien, revolutionierte er doch das Alpinismusverständnis der damaligen Zeit. In einer Zeit, in der Männer noch richtige Kerle waren und sich mutig den Elementen entgegenstellten, statt sich in die warmen Salons der Großstädte zurückzuziehen, zeichnete sich Mummery durch seine unverblümte Herangehensweise an das Bergsteigen aus. Mit seinen riskanten Expeditionen und der Leidenschaft, die härtesten Gipfel der Alpen zu bezwingen, war er eben kein softer Naturbursche, der sich an Sicherheitsseilen festklammerte.
Mummery ging dahin, wo sich andere nicht einmal hinzusehen trauten. Während des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts reiste er in die Schweiz, um zahlreiche Erstbesteigungen zu machen - darunter das imposante Aiguilles du Dru in den Mont Blanc-Massiven und das berühmt-berüchtigte Matterhorn. Für ihn war das Besteigen eines Berges nichts, wenn es dabei nicht um den Nervenkitzel ging. Er setzte bewusst auf weniger Ausrüstung, um die Kraft der natürlichen Herausforderungen zu erleben. Klingt nicht nach dem, was sich die heutigen Safespace-Fanatiker erhoffen, nicht wahr?
Mummery war weit davon entfernt, sich dem aufkommenden Trend der kommerzialisierten Grundsicherung seiner Abenteuer zu beugen. Stattdessen packte er noch mehr Risiko mit in seine Klettertasche. Sein unkonventioneller Stil inspirierte ganze Generationen von Bergsteigern und darüber hinaus, obwohl vermutlich manch ein Sicherheitsmanager bis heute bei seinem Namen unruhig wird. Sein kühner Ansatz, persönliche Fähigkeiten über technische Ausstattung zu stellen, war revolutionär – gerade in einer veränderten Welt, die den Wert harter Arbeit und Entbehrungen immer weniger schätzen.
Der Held der Höhen zog sich keinen Umhang über, als er das Nadelöhr der Natur herausforderte. Ob auf heimischen oder fremden Böden: der Deutsche Gillik, später auf dem Nanga Parbat, zeigte der Welt, dass Entschlossenheit stärker als jeder Sturm ist. Ironischerweise endete sein Drang nach höherem Großmut und unverzichtbaren Triumphen tragisch; auf dem Nanga Parbat verschollen, unnachgiebig der Bergwelt verfallen. Seine Spuren verloren sich in den Gletschern der ewigen Ruhe. Doch Albert Mummery hielt dem extremen Bergsteigen den Spiegel vor und forderte dazu auf, sich selbst zu vertrauen – ein Synonym für eine Zeit, in der Taten lauter als Worte waren.
Verleiht ihm das eine Art Unsterblichkeit? Vielleicht lehrt uns Mummery, dass man den Blick von den Bildschirmen in die Weite heben sollte, in der echten Welt bereit ist, den Widrigkeiten zu trotzen – nicht durch bequeme Entscheidungen, sondern durch unbeständige Natur, sowohl in der Landschaft als auch im Herzen. Ja, er schrie nach Veränderung, aber nicht nach der Veränderung, die heutige Liberale sich wünschen – eine Veränderung, die nicht vom Schreibtisch aus geplant, sondern mit Blasen an den Händen und Adrenalin im Blut gelebt wird.
Mummery verendete nicht nur als eine historische Fußnote, ein unermüdlicher Solitär in einer vorgerüsteten Zeitperiode; er hinterließ einen unverwüstlichen Eindruck auf die Herangehensweise ans moderne Bergsteigen. Und obwohl seine Geschichte versiegelte Seiten in den Archiven gefüllt hat, inspiriert sein Geist weiterhin diejenigen, die sich von keiner Autorität und keinem Betreten-verboten-Schild abhalten lassen. Vielleicht benötigt es mehr Geister wie Mummery, um sich aus der Umklammerung der Sicherheit um die scharfen Kanten der Welt zu manövrieren, für die es sich zu kämpfen lohnt.