Ahimsa-Seide: Die öko-anständige Mär vom sanften Luxus

Ahimsa-Seide: Die öko-anständige Mär vom sanften Luxus

Einst eine sanfte Lösung, Ahimsa-Seide ist das neueste modische Märchen, das mehr Fragen aufwirft als ethische Modeversprechen hält.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Was passt besser zu einem liberalen Brunch als der weiche, luxuriöse Abglanz von Seide? Wer würde sich nicht gerne einhüllen in ein Kleidungsstück, das wie flüssiger Mondschein über die Haut fließt? Doch während man seinen Soja-Latte schlürft, könnte ein neuer Trend die Runde machen: Ahimsa-Seide, auch als „Friedensseide“ bekannt. Ursprünglich entwickelt in Indien, um 1990 von einem besorgten Unternehmer namens Kusuma Rajaiah, der sich wegen der brutalen Tötung von Seidenraupen für diese neue Methode entschied. Die Idee: Ein Seidenprozess, der die Würmer nicht frühzeitig aus dem Leben reißt, sondern sie nach der Metamorphose schlüpfen lässt, bevor die Kokons geerntet werden.

Die Idee klingt so nobel, dass man fast meditieren möchte. Doch lassen wir uns nicht blenden von einem seidig-glänzenden Marketingmärchen. Zunächst sollte gesagt werden, dass sich die Modebranche kaum um die Raupen schert, während sie im Namen der „Friedensseide“ doch wieder die Natur verzerrt – nur halt anders. Der Prozess produziert weniger Seide, die qualitativ auch noch weniger hochwertig ist. Statt eines starken, kontinuierlichen Fadens erhält man abgebrochene Stücke, was dazu führt, dass der Stoff sich weniger geschmeidig und weniger haltbar anfühlt.

Es zeigt sich, dass ein Großteil der Hysterie um Ahimsa-Seide vor allem auf emotionaler Manipulation beruht. Da ist dieses Bild vom sanften Umgang mit der Natur, das suggeriert, man könne Luxus ohne jegliche Ausbeutung genießen. Unterstützer sprechen vom ethischen Konsum als dem letzten Schrei, als ob Kleidung erleuchtet werden könnte. Aber der Nebeneffekt ist, dass die Preise für solche Textilien astronomisch hoch sind. Nicht jeder kann sich diesen vermeintlichen moralischen Luxus leisten.

Es kommt ebenfalls zur Sprache, dass die Gemeinden, die auf die konventionelle Seidenproduktion angewiesen sind, ihren Lebensunterhalt gefährdet sehen. Indem man traditionelle Methoden verteufelt, wird ein ganzes wirtschaftliches Ökosystem gestört, das Familien ernährt und Dörfer stabilisiert. Die Einführung von Ahimsa-Seide ist auch ein beispielloser Fall von Kulturimperialismus, der westliche Werte über indigene Praktiken stellt und sich dabei der Ilusion einer globalen moralischen Hierarchie hingibt.

Hinter der Fassade der Friedensseide verbirgt sich eine marketing-gepowerte Masche: die Gewissensberuhigung der urbanen Elite. Wer eine Weste aus Ahimsa-Seide trägt, mag sich erhaben fühlen, als ein besserer Mensch erscheinen. Aber trägt man zur Bewahrung von Arbeitsplätzen bei? Löst man die eigentlichen Probleme der Textilindustrie? Man solle bitte aufhören, sich von Illuminationsstorys blenden zu lassen, die nichts mit der harten Realität zu tun haben, in der das Recht auf Überleben der großen Mehrheit der Menschen liegt und keiner Raupenphilosophie.

Dieser Text beschreibt nicht das Ende der Debatte. Also, während einige sich an der Vorstellung halten, sie könnten ohne einen Kratzer auf ihrem moralischen Kompass konsumieren, kann die Realität anders aussehen. Ahimsa-Seide mag strahlend sein, doch sie kleidet ein mulmiges Narrativ von fragwürdiger moralischer Überlegenheit und einer fehlgeleiteten Vision von Nachhaltigkeit. Der wohlklingende Begriff „Friedensseide“ hat seine Knotenpunkte in einem modernen Märchen, das, wie so viele andere, unter der Last seiner eigenen Heuchelei zerbricht.