Wenn Sie dachten, das einzige, was heutzutage für Turbulenzen sorgt, sei die politische Landschaft, dann haben Sie noch nicht von 'Agata und der Sturm' gehört, einem charmanten Werk von Silvia Avallone, das uns nicht nur in die Kleinstadt Piombino entführt, sondern auch in das dramatische Leben seiner Protagonisten, Agata und der schweigsame Musikkritiker Gabriele. Diese Geschichte findet im Italien der 2010er Jahre statt und zeigt, warum man vorsichtig sein sollte, wenn man versucht, Traditionen mit anarchistischen Lebensstilen zu vermischen.
'Agata und der Sturm' erzählt die Reise einer Frau, die wie eine Lawine durch ein schneebedecktes Bergtal pflügt. Agata ist das Sinnbild der selbstbewussten Rebellion und der absurden Jagd nach der "Freiheit um der Freiheit willen". Dabei lässt Avallone keine Chance aus, uns daran zu erinnern, dass persönliches Glück und gesellschaftliche Verantwortung keine gemeinsamen Nenner haben müssen. Der Roman spricht die Unzufriedenheit gegenüber einer als engstirnig empfundenen Gesellschaft an - ein Punkt, der allzu oft in den linksperspektivischen Debatten verwendet wird. Will Agata ihre Träume ausleben oder ist sie auf einem Pfad der Zerstörung unterwegs? Avallone scheint eher auf Letzteres zu wetten.
Gabriele hingegen ist der ruhige Kritiker, der sein Leben in geordneten Bahnen halten will, während er doch tief innen von seiner chaotischen Muse fasziniert ist. In typischer moderner Manier wird seine Sicherheit von den neuen, ungezogenen Allüren seiner Partnerin bedroht. Traditionsfreunde aufgepasst: Hier gibt es eine Lektion darüber, warum Stabilität manchmal dem Weg "alles Neu" vorgezogen werden sollte.
Silvia Avallone, die kluge Architektin dieser Lebenskreise, zeigt uns nicht nur das eindringliche Individuum Agata, sondern lampeniert auch humorvoll über gesellschaftliche Erwartungen hinaus. Wollen wir wirklich wie Agata sein, die sich genauso rastlos präsentiert, wie die Stürme, die sie beschreibt? Oder sollten wir, wie Gabriele, das ruhende Auge des Orkans verkörpern?
Diese ungewöhnliche Geschichte könnte als Spiegelbild unserer eigenen Gesellschaft gesehen werden, wo Freiheit häufig entweder ein Vorwand für Spontaneität ist oder, schlimmer noch, als Deckmantel für Verantwortungslosigkeit dient. Regelbruch wird in dieser autofiktionalen Achterbahnfahrt verklärt, als ob dies Agata wirklich frei machen würde. König Disziplin, möge er sich umwenden, denn Agata weiß, wie man die Dinge schief gehen lässt.
Ein besonderes Merkmal, das sich durch das Buch zieht, ist die Art, wie persönliche Freiheit ständig mit umgehenden Verpflichtungen in einen unerbittlichen Konflikt gerät. Aber keine Sorge, die gesunde Dosis an Ironie bleibt nicht aus. Solche Eskapaden aktiv auf die Spitze zu treiben und dann pseudo-intellektuelle Konzepte zu verteidigen, fügt dem Ganzen nur noch mehr Pep hinzu. Avallones Werk fordert uns heraus, Zivilcourage nicht nur für das zu verwenden, was einfach und bequem ist.
Dennoch predigt Avallone keine Revolution. Vielmehr hält es uns einen Spiegel vor: Wie sehr wollen wir unsere eigenen Grenzen ausdehnen und welchen Preis sind wir bereit, dafür zu zahlen? Das klingt fast nach einem Vorwurf an die Freiheitsliebhaberei jener Kreise, die sich ebenfalls im "unkonventionellem Denken" als elitär dünken.
Die Umkehrung des Erwartungshorizonts wird von einigen gefeiert, während sie andere als realitätsschwach amüsiert, denn nicht jeder ist bereit, den Zerfall geordneter Struktur als Chance zu sehen. Doch keine Angst, der Zorn gegen die gesellschaftlich gängige Ordnung bleibt auf den letzten Seiten lediglich ein Don Quixoter Kampf.
Vielleicht hinterlässt Agata auf ihrer Reise eine Spur, die entweder als gnadenloser Aufruf zur Selbstbestimmung in den irrlichternen Hallen persönlicher Leidenschaften endet oder als resigniertes Kopfschütteln über unsere kurzsichtigen Bestrebungen. Erfrischend oder provokant - 'Agata und der Sturm' bleibt ein Meisterwerk des widerstandsfähigen Eigensinns und der aufgesetzten Intellektualität. Jeder kann selbst entscheiden, ob er dies als inspirierend oder als verlorene Zeit betrachtet.
Inmitten all dieser Gedankenstürme bleibt die Frage: Ist Agata tatsächlich der Leuchtturm der Freiheit, den wir sehen sollen, oder nur ein weiteres Beispiel für das Vergängliche im modernen Streben nach persönlicher Relevanz?