Der zweite Amtsenthebungsprozess und die Absetzung von Martín Vizcarra
Stell dir vor, du bist Präsident eines Landes und wirst zweimal in einem Jahr des Amtes enthoben – das ist genau das, was Martín Vizcarra, der ehemalige Präsident von Peru, widerfahren ist. Im November 2020 wurde Vizcarra von der peruanischen Legislative zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate seines Amtes enthoben. Der Grund für seine Absetzung war der Vorwurf der "moralischen Unfähigkeit", der auf Korruptionsvorwürfen basierte, die während seiner Amtszeit als Gouverneur der Region Moquegua aufkamen. Die politische Bühne in Lima, der Hauptstadt Perus, war der Schauplatz dieses dramatischen Ereignisses, das die ohnehin schon fragile politische Landschaft des Landes weiter erschütterte.
Vizcarra, der 2018 das Präsidentenamt übernahm, nachdem sein Vorgänger Pedro Pablo Kuczynski zurückgetreten war, hatte sich als Reformer präsentiert, der gegen Korruption kämpfen wollte. Ironischerweise wurde er selbst von Korruptionsvorwürfen eingeholt. Die Anschuldigungen gegen ihn beinhalteten, dass er Bestechungsgelder von Bauunternehmen angenommen habe, als er Gouverneur war. Diese Vorwürfe führten zu einem ersten Amtsenthebungsverfahren im September 2020, das er überstand. Doch die zweite Abstimmung im November war erfolgreich, und Vizcarra wurde mit einer überwältigenden Mehrheit von 105 zu 19 Stimmen abgesetzt.
Die Absetzung von Vizcarra führte zu massiven Protesten in ganz Peru. Viele Bürger sahen in ihm einen Hoffnungsträger im Kampf gegen die weit verbreitete Korruption und waren empört über die Entscheidung des Kongresses. Die Proteste wurden von der Jugend des Landes angeführt, die sich gegen das politische Establishment auflehnte, das sie als korrupt und selbstsüchtig betrachteten. Die Demonstrationen wurden von der Polizei gewaltsam unterdrückt, was zu mehreren Todesfällen und zahlreichen Verletzungen führte. Diese Ereignisse verstärkten die politische Instabilität und das Misstrauen gegenüber der Regierung.
Die Gegner von Vizcarra argumentierten, dass seine Absetzung notwendig war, um die Integrität des Amtes zu wahren. Sie betonten, dass niemand über dem Gesetz stehen dürfe, auch nicht der Präsident. Die Befürworter von Vizcarra hingegen sahen in der Amtsenthebung einen politischen Schachzug, um einen unliebsamen Reformer loszuwerden. Sie warfen dem Kongress vor, die Korruptionsvorwürfe als Vorwand zu nutzen, um ihre eigenen Interessen zu schützen.
Die politische Krise in Peru zeigt die tiefen Risse in der Gesellschaft und das weit verbreitete Misstrauen gegenüber den politischen Institutionen. Die Ereignisse um Vizcarra sind ein Symptom für ein größeres Problem, das viele Länder in der Region betrifft: die allgegenwärtige Korruption und die Herausforderungen bei der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit. Die Jugend Perus, die in den Protesten eine zentrale Rolle spielte, fordert Veränderungen und eine neue Art der Politik, die transparent und gerecht ist.
Die Absetzung von Martín Vizcarra ist ein weiteres Kapitel in der turbulenten politischen Geschichte Perus. Es bleibt abzuwarten, wie das Land diese Krise überwinden wird und ob die Rufe nach Reformen und Gerechtigkeit Gehör finden. Die Ereignisse haben jedoch deutlich gemacht, dass die peruanische Gesellschaft nicht bereit ist, Korruption und Machtmissbrauch weiterhin hinzunehmen. Die Zukunft des Landes hängt davon ab, ob es gelingt, das Vertrauen in die politischen Institutionen wiederherzustellen und echte Veränderungen herbeizuführen.