Man stelle sich vor: Sich einfach loseisen, den Alltag hinter sich lassen, die Seele baumeln lassen und hoch hinauf auf die spirituelle Suche gehen. Das Buch "Zum Glück weit weg, zu Gott hoch hinauf” von Leonie und Gregor Sieböld, erschienen 2023, bietet genau das – eine faszinierende Erzählung über zwei Menschen, die ihre Sicherheit für eine Reise ins Ungewisse eintauschen, getrieben von der Sehnsucht nach Sinn jenseits der Alltagsroutine.
Leonie und Gregor, ein in Berlin beheimatetes Paar, packen 2021 ihre Koffer für ein Abenteuer. Ihr Ziel ist nicht nur die äußere Welt mit ihren faszinierenden Landschaften und Kulturen, sondern auch eine innere Reise zur Spiritualität. Die Geschichte spielt auf zwei Ebenen: einer physischen und einer metaphysischen. Die Reisen nach Nepal, Indien und Bhutan, und die Menschen, die sie auf ihrem Weg treffen, formen die Ethnographie ihres Erlebnisses.
In einer Welt, die zunehmend hektischer und digital vernetzter wird, erzählt dieses Buch die Geschichte von einer bewussten Entschleunigung und einer Suche nach spirituellen Wahrheiten, die jenseits von TikTok und Instagram liegen. Generation Z, die als digital natives aufgewachsen sind, kann in der Lebensweise der Protagonisten vielleicht eine neue Perspektive finden, die dazu einlädt, die Abwesenheit von sofortiger Befriedigung und schneller Information als wertvoll zu erkennen.
Die Protagonisten beschreiben ihre Erfahrungen in den buddhistischen Klöstern Bhutans als transzendente Reisen an sich. Sie meditieren im Schatten jahrhundertealter Gebetsmasken, lernen von Mönchen und entdecken eine Seite von sich selbst, die in der Hektik Berlins oft unter den Teppich gekehrt wird. Der spirituelle Frieden, den sie suchen und manchmal auch finden, wirkt wie ein Gegengewicht zum rastlosen Stadtleben.
Nun könnte man argumentieren, dass es für viele nicht praktikabel ist, einfach alles hinter sich zu lassen, um im Himalaya innere Erleuchtung zu suchen. In der Welt der kapitalistischen Verpflichtungen und sozialer Verantwortung bleibt der Zugang zu solch radikalen Entscheidungen eine Frage der Privilegien. Kritiker, vor allem aus konservativen Kreisen, fragen, ob diese Reise der Selbstfindung nicht bloß ein Luxus ist, den sich nur westliche Weltbürger leisten können.
Doch das Buch fordert auf, die Nuancen des Seins zu schätzen. Für Leonie und Gregor geht es nicht unbedingt darum, eine Ablehnung der modernen Welt heraufzubeschwören, sondern eine Einladung auszusprechen, eigene Wege zu finden, um aus der Komfortzone auszubrechen. Sei es durch Yoga, Meditation, oder eben durch kleine Momente der Offline-Zeit im Alltag.
Die Autoren versuchen, eine Verbindung zwischen der geografischen und spirituellen Höhe herzustellen – der Aufstieg des Körpers wird mit dem Wachstum des Geistes gleichgesetzt. Der inspirierende Unterton ist dabei unüberhörbar: Herausforderungen bieten Gelegenheiten zur Transformation.
Das Buch strotzt nicht nur vor poetischen Beschreibungen, sondern liefert auch historische und kulturelle Hintergründe der besuchten Regionen. Leser*innen erfahren nicht nur über die spirituellen Reisen der Protagonisten, sondern auch über die reichen kulturellen Erzählungen der Regionen, die sie durchqueren.
Ein weiterer Punkt, der sich durch das Werk zieht, ist die Frage der Umweltverantwortung. Reisen bedeuten Spuren zu hinterlassen, und die Autoren gehen offen damit um, wie sie ihre Abenteuer mit einem achtsamen Umgang mit der Natur vereinbaren.
Dieses Buch spricht auf persönliche Weise an. Es fordert nicht zu radikalen Lebensumstellungen auf, sondern inspiriert, in dem es zeigt, wie persönliche Freiheit und Erfüllung auf individuelle Weise gefunden werden können. "Zum Glück weit weg, zu Gott hoch hinauf" wird damit zu einem Leitfaden der modernen Weltflucht – nicht um der Verantwortung zu entsagen, sondern um neue Wege der Verantwortung zu entdecken.
Es ist eine Einladung an die jüngere Generation, darüber nachzudenken, welche Art von Erfüllung sie suchen, und welche Mittel sie nutzen, um sie zu finden. Es eröffnet die Möglichkeit, die Leinwand des Lebens aus einer frischen Perspektive zu betrachten.