„Du kannst von der Musik nicht leben!“, das war ein Satz, den man sich im Jahr 1973 nur allzu oft anhören musste. In einer Welt, die von den Wellen der politischen Unruhen und technologischen Revolutionen geschüttelt wurde, entschied sich eine Gruppe junger Musiker, darunter ich, trotzdem dafür. Es begann alles in einem kleinen Kellerproberaum in Berlin-Kreuzberg. Unsere Band war nicht berühmt, aber wir spielten mit Leidenschaft und angetrieben von der Überzeugung, dass Musik mehr war, als nur Noten auf einem Blatt. Warum Musik? Weil sie alle Grenzen überwindet, weil sie das einzige war, was die Nerven beruhigen konnte in turbulenten Zeiten und weil sie ein Sprachrohr der Freiheit war.
Die 1970er waren die Geburtsstunde zahlreicher Musikrichtungen. Von Glam Rock bis hin zu Punk—es war eine Ära der Kreativität und des Wandels. Bands wie „The Clash“ und „David Bowie“ waren Idole, die unzählige Künstler beeinflussten, jedoch gingen auch weniger bekannte Musiker mit Begeisterung dem Ruf ihrer Muse nach. Ich gehörte zu diesen Suchenden. Für uns war Musik der Herzschlag der Gesellschaft, das Echo einer Generation, die sich nichts vorschreiben lassen wollte. Auch wenn uns niemand mit Ruhm oder Reichtum überschüttete, hatten wir die Freiheit, zu spielen und zu experimentieren.
Die 1980er brachten nicht nur neue technische Möglichkeiten durch die Verbreitung von Synthesizern und Drumcomputern, sondern auch eine neue politische Landschaft. In einer Zeit, in der Reaganomics in den USA die Wirtschaft prägten und die Bewegung „Nukleare Abrüstung“ die Straßen füllte, hielten Musiker Stellung. Musik wurde ein Werkzeug der Politik und des Protests. Die bekanntesten Beispiele sind sicher „Live Aid“ oder die legendären „Friedenskonzerte“. Ich erinnere mich an endlose Nächte in verrauchten Clubs, in denen unsere Texte die Zuhörer zum Nachdenken anregten und zugleich Hoffnung gaben.
Die 1990er stellten mit der Digitalisierung und dem Aufkommen des Internets alles auf den Kopf. Plötzlich konnten Bands ein Publikum von Tausenden ohne die Unterstützung eines großen Labels erreichen. Die Möglichkeiten schienen unendlich, aber das brachte auch neue Herausforderungen mit sich. Plötzlich spielte jeder um die Aufmerksamkeit der Masse. Es war eine aufregende, wenn auch hektische Zeit. Während dieser Periode lernte ich die ungeheure Kraft der Musik hören, die durch digitale Kanäle nun ein noch breiteres Spektrum erreichen konnte.
Mit dem neuen Jahrtausend, den 2000er-Jahren, änderte sich nochmals alles. Streaming-Plattformen wie „Napster“ oder „Spotify“ revolutionierten die Art, wie Musik konsumiert wurde. Für ältere Musiker wie mich war es eine Herausforderung, Schritt zu halten. Dennoch hielt mich die Leidenschaft. Musik war nicht länger nur auf Clubs und Konzertsäle beschränkt; sie fand ihren Weg auf Bildschirme und Computer in aller Welt. Trotz der wachsenden Kommerzialisierung blieben viele Künstler unabhängig, mutig und stur in ihrem Bestreben, ihre eigene Stimme zu finden und zu halten.
Heutzutage, fünf Jahrzehnte später, ist die Musikindustrie nicht mehr derselbe Ort. Sie ist größer, digitaler und diverser als je zuvor. Doch eine Sache hat sich nicht verändert: Musik bleibt ein unersetzliches Kommunikationsmittel. Sie gehört niemandem und jedem. Sie inspiriert, stiftet zum Nachdenken an und verbindet. Auch wenn die Mechanismen durch Streaming und soziale Medien anders sind, bleibt der Kern derselbe. Künstler aus den unerwartetsten Ecken der Welt erreichen Gehör und erzählen Geschichten, die trotzdem oft universell verstanden werden.
Man mag argumentieren, dass der Wert der Musik unter dem ubiquitären Zugang leidet. Der freie Zugang breiterer Massen zu Musikstücken könnte auf den ersten Blick ein Verfall sein, doch ist es nicht auch eine Befreiung? Eine Demokratisierung, die es ermöglicht, dass jede Stimme—ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Marktwertes—ihre Hörer findet?
Junge Leser, Ihr wachst in einer Zeit auf, in der Ihr alles unmittelbar zur Verfügung habt. Denkt daran, dass Eure Entdeckungen einst für uns hart umkämpft waren. Probiert selbst kreativ zu sein. Manchmal sind es die sträubigen Zeiten und Herausforderungen, die den fruchtbarsten Boden für Kreativität bieten. Lasst Euch nicht von den ebosartigen Schatten der Kommerzialisierung entmutigen. Folgt Eurer Stimme, so wie es Generationen vor Euch getan haben.
Die Zukunft der Musik ist ungeschrieben und das ist ein tröstlicher Gedanke. Sie ist eine endlose Melodie und ja, es lohnt sich ihr zu folgen. Nach 50 Jahren kann ich sagen, dass der Ruf der Musik unauslöschbar ist und vielleicht ist genau das, was die Kritiker vor all den Jahren nicht verstehen konnten.