Ein Sprung ins Meer des französischen Kinos: Thalasso

Ein Sprung ins Meer des französischen Kinos: Thalasso

Was passiert, wenn man zwei der schillerndsten Figuren der französischen Kulturszene in einem Thalassotherapie-Zentrum versammelt? Der Film 'Thalasso' gibt darauf eine ebenso lustige wie nachdenkliche Antwort.

KC Fairlight

KC Fairlight

Was passiert, wenn man zwei der ungewöhnlichsten Figuren der französischen Kulturszene in ein Thalassotherapie-Zentrum sperrt? 'Thalasso', der 2019 unter der Regie von Guillaume Nicloux in Frankreich gedrehte Film, bietet darauf eine skurrile Antwort. Der Film folgt den realen Personen Gérard Depardieu und Michel Houellebecq, die sich bei einem Wellness-Aufenthalt an der französischen Küste ein surreal-komisches Stelldichein geben.

Gérard Depardieu, eine der bekanntesten Ikonen des französischen Kinos, und Michel Houellebecq, gefeierter und umstrittener Romanautor, sind nicht etwa in einer fiktionalen Handlung unterwegs, sondern spielen erweiterte Versionen ihrer selbst. Dies verleiht dem Ganzen eine besondere Würze und lässt den Zuschauer ständig fragen, wo die Realität aufhört und die Fiktion beginnt. Der Film knüpft an einen anderen Streifen mit Houellebecq an, nämlich 'L’Enlèvement de Michel Houellebecq' aus dem Jahr 2014, welchen ebenfalls Nicloux inszenierte.

Interessant ist, dass 'Thalasso' nicht bloß eine flache Komödie über zwei ältere Herren im Bademantel ist, sondern sich mehr zu einer reflexiven Reise über Freundschaft, Lebenssinn und den unvermeidlichen Lauf der Zeit entwickelt. Der Schauplatz ist ein Thalassotherapie-Zentrum, wo sich die Protagonisten Wellness-Behandlungen unterziehen, die im krassen Gegensatz zu ihren philosophischen Gesprächen stehen, die sich um literarische, politische und gesellschaftliche Themen drehen.

Diese Kontraste erwecken den Film zum Leben, während die beiden Hauptdarsteller kontinuierlich zwischen Parodie und authentischem Austausch balancieren. Dieses Stilmittel dient dazu, den Zuschauer in einer Art ständiger Awareness zu halten — einerseits werden Momente des Lachens geboten, andererseits aber auch Gedankenanstöße zum gegenwärtigen Zustand der Welt.

Ein Aspekt, der Zuschauer besonders anspricht, ist die Tatsache, dass sowohl Depardieu als auch Houellebecq keinerlei Scheu zeigen, sich selbst und ihre öffentlichen Images zu hinterfragen. Sie spielen mit ihren Eigenheiten, Lotterleben und Spleens, was den Film äußerst unterhaltsam macht. Gleichzeitig könnte man argumentieren, dass 'Thalasso' auf eine gewisse Weise ein Kommentar zur modernen Berühmtheit ist, die nicht selten Selbstdarstellung mit Authentizität verwechselt.

Die politische Sichtweise der Charaktere mag für einige Zuschauer herausfordernd sein, insbesondere für liberalere Geister. Houellebecq, bekannt für seine oft provokativen Ansichten, hat keine Scheu davor, politisch inkorrekte Statements zu machen. Depardieu hingegen verleiht der Story durch seinen rauen Charme und seine Bodenständigkeit eine gewisse Ausgeglichenheit. An diesem Diskurs führt der Film eine Art Meta-Diskussion über den Dialog zwischen unterschiedlichen politischen Haltungen.

Während die Handlung scheinbar träge voranschreitet, entfaltet sich das echte Drama über die Beziehung und die Gespräche der beiden Männer. Diese Mischung aus echter Emotion und Theater lässt die Frage aufkeimen, wie viel von ihrem wahren selbst in ihren Darstellungen steckt — eine Frage, die viele Zuschauer fasziniert. Es ist die Art von Film, die mit stillem Humor tiefere Wahrheiten über das menschliche Dasein enthüllt.

Sogar der Ort selbst, dieses Thalassotherapie-Zentrum, symbolisiert auf eine gewisse Weise die 'Heilung' und das Bedürfnis nach Selbstreflexion, eine Metapher, die im Einklang mit den philosophischen Distraktionen der Protagonisten steht. So entsteht das Bild einer körperlichen und geistigen Erneuerung — ein subtiler Kommentar zur Existenzkrise der modernen Welt.

Es gibt auch Kritik an dem Film. Einige mögen die Tatsache anprangern, dass er zu dialoglastig ist und die Handlung zu gemächlich voranschreitet. Doch genau dies könnte auch als eine seiner Stärken gesehen werden — die Entschleunigung als filmische Technik, die die Zuschauer zwingt, zu reflektieren und zu lauschen, anstatt nur zu konsumieren.

'Thalasso' ist ein außergewöhnliches Werk des französischen Kinos, das gleichzeitig selbstreflexiv und überraschend tiefgründig ist. Die Interaktionen zwischen Depardieu und Houellebecq schaffen einen Raum für Erörterungen über das Leben, die sich nicht oft in modernen Komödien finden lassen. Es ist eine Einladung, über das Offensichtliche hinaus zu denken und sich sowohl dem Lachen als auch der Reflexion hinzugeben — eine Seltenheit, die der Film meisterhaft bietet.