Johannes Goropius Becanus: Der verrückte Linguist des 16. Jahrhunderts?

Johannes Goropius Becanus: Der verrückte Linguist des 16. Jahrhunderts?

Hast du jemals gedacht, dass deine Muttersprache die älteste Sprache der Welt ist? Johannes Goropius Becanus hatte das im 16. Jahrhundert und schockierte damit die Welt der Linguistik.

KC Fairlight

KC Fairlight

Stell dir vor, du bist davon überzeugt, dass deine Muttersprache die älteste Sprache der Welt ist, so wie Johannes Goropius Becanus im 16. Jahrhundert. Goropius wurde 1519 in Gorp, heute Teil der Niederlande, geboren und war ein brillanter Linguist, Arzt und Humanist, der völlig abseits des Mainstreams der Sprachwissenschaft segelte. In einer Zeit, in der Latein als die Sprache der Elite galt, behauptete Goropius, dass die niederländische Sprache die Mutter aller Sprachen sei, was in der akademischen Welt für viel Aufsehen sorgte.

Goropius ist besonders bekannt für seine kontroverse Theorie, die behauptet, dass die biblische Adamische Sprache, die von Adam und Eva im Garten Eden gesprochen wurde, niederländisch gewesen sei. Was für moderne Ohren heute fast unvorstellbar klingt, wurde im 16. Jahrhundert mit einer Mischung aus Faszination und Skepsis aufgenommen. Der Grund für seine Überzeugung war sein Eindruck, dass niederländische Wörter sehr einfach und in ihren Lautelementen so grundlegend seien, dass sie älter als Hebräisch oder Griechisch sein müssten.

Ein Beispiel seiner Theorie ist seine Analyse des Wortes 'licht' (Licht), das er für so grundlegend hielt, dass es in seiner Klarheit und Einfachheit nicht zu übertreffen sei. Natürlich gab es bereits zu seiner Zeit Wissenschaftler, die seine Ansichten vehement in Frage stellten. Sie argumentierten, dass seine Herleitung der Wörter auf nichts anderes als zufälligen Lautähnlichkeiten basierte und dass die linguistische Tiefe fehle, die jüngere Sprachen wesentlich komplexer machte.

Interessant an Goropius' Ansichten war jedoch, dass sie ein Fenster zu einer Zeit öffnen, in der nationale Identitäten und Sprachen in Europa erst zu entstehen begannen. Seine Theorien spiegelten vielleicht das aufkommende Gefühl einer niederländischen Identität wider, die noch mit den Mächten des römischen Reiches und später denen von Spanien in Konflikt stand. Die Befürwortung der niederländischen Sprache als älteste der Welt könnte also auch als eine politische Aussage verstanden werden, um nationale Einheit und Stolz zu fördern.

Es ist aus heutiger Sicht leicht, Goropius für seine naiven Ideen zu belächeln. Doch darf man dabei nicht vergessen, dass er in einer Zeit lebte, in der der Austausch von Wissen und die Erforschung von Neuem durch politische und religiöse Beschränkungen stark limitiert waren. In diesem Sinne sollte man seine Arbeiten auch als Ausdruck menschlicher Neugierde und als Versuch verstehen, große Fragen zu beantworten. Und wer weiß? Vielleicht haben seine provokativen Theorien zumindest dazu beigetragen, die Neugier anderer Wissenschaftler anzufachen.

Jedoch war es nicht nur seine Liebe zur Sprache, die ihn prägte. Goropius war zu seinen Lebzeiten auch ein angesehener Arzt und hatte als Leibarzt von Andreas Perez, dem Herzog von Alba, viele bedeutende medizinische Studien betrieben. Auch hier zeigte sich sein Interesse für den menschlichen Körper und Geist.

Warum widmete sich Goropius derart intensiv den Sprachen und ihren Ursprüngen? Vielleicht, weil Sprache nicht nur Kommunikation ist, sondern auch Identität bedeutet. Die Verbindung von Sprache mit der eigenen Herkunft und Bedeutung im großen Universum der Menschheit war möglicherweise einer der Gründe, warum Goropius seine Frau von seiner Theorie so nachhaltig beeindruckte, dass sie in vielen seiner Diskussionen ein williger Zuhörer war. Obgleich seine Theorien weitgehend als unwissenschaftlich betrachtet werden, bieten sie dennoch viel Stoff zur Reflexion und Diskussion.

Wenn man Goropius Becanus heute in der wissenschaftlichen Gemeinschaft befragen könnte, würden sich viele seiner Ansichten sicher als humorvoll und überholt herausstellen. Doch bleibt er ein faszinierendes Beispiel dafür, wie tiefgreifend die Suche nach dem Ursprung unserer eigenen Existenz ist — auch wenn der Weg mit Irrwegen und Zeitsprüngen gespickt ist.

Es zeigt sich also, dass die Reise in die Vergangenheit der Linguistik nicht nur interessante Fakten aufdeckt, sondern uns überdies herausfordert, unsere eigenen Annahmen zu überprüfen. Während Goropius selbst von der Politik seiner Zeit, seinen persönlichen Überzeugungen und dem Streben nach Wissen geprägt war, ist es nicht zu leugnen, dass solche außergewöhnlichen Geschichten die Wissenschaft reichhaltiger und zugänglicher machen. Vielleicht sind Geschichten wie die von Goropius Becanus gerade deshalb so wertvoll, weil sie uns daran erinnern, wie wichtig es ist, Fragen zu stellen — auch wenn die Antworten vielleicht nicht immer richtig sind.