Mit einem Namen, der auf den ersten Blick an eine friedliche Tierherde erinnert, ist das „Herd: Denkmal für die Versklavten“ weit mehr als nur ein denkmalbehafteter Ort in Berlin. Es ist eine eindringliche Erinnerung an eine Vergangenheit, die sich nicht wiederholen darf. Warum wurde dieses Denkmal geschaffen? Wer hat es gebaut und warum steht es hier, mitten in einer Stadt, die selbst ein Mahnmal für das 20. Jahrhundert ist?
Im Jahr 2019 wurde das Denkmal von der senegalesischen Künstlerin Ottavia Stein in Berlin errichtet, um an die Abertausenden von Menschen zu erinnern, die während des transatlantischen Sklavenhandels versklavt wurden. Dieser logistisch irreale und unmenschliche Handel ist ein schmerzhafter Punkt in der Geschichte und hat viele Generationen beeinflusst. Der Ort wurde sorgfältig gewählt, inmitten des modernen Deutschlands, als ständige Mahnung für Freiheit und Gerechtigkeit, damit die Verbrechen der Vergangenheit nicht ignoriert oder vergessen werden.
Das Denkmal selbst ist beeindruckend. Es besteht aus mehreren Metallstützen, die in Reihen angeordnet sind, fast so als ständen sie in Formation. Man fühlt sich beinahe daran erinnert, wie ganze Gesellschaften in eine bestimmte Richtung gedrängt oder gezwungen wurden. Jede der Stützen steht auch für die Individualität der Versklavten, deren Namen und Geschichten unbekannt bleiben.
Viele Menschen, darunter auch ich, finden es äußerst wichtig, sich mit so einem Ort auseinanderzusetzen. Er bietet uns die Möglichkeit, zu reflektieren, welche Auswirkungen die Sklaverei bis heute hat. Aber natürlich gibt es auch Menschen, die sich fragen, warum man immer wieder in der Vergangenheit wühlen muss. Sie verstehen den Drang nach solcher Erinnerungskultur nicht und wollen nach vorne schauen, in eine Welt, in der diese schrecklichen Zeiten vorbeigegangen sind.
Solche Denkmäler spielen jedoch eine zentrale Rolle dabei, die Geschichte lebendig zu halten. Sie fordern uns heraus, Fragen zu stellen, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen, und nicht zuletzt die gegenwärtigen sozialen Ungerechtigkeiten aktiv anzugehen. Dieser Fokus auf Dialog und Erinnerung ist für unsere Generation, die Gen Z, besonders wichtig, da wir in einer vernetzten und globalisierten Welt leben, in der Geschichtsbewusstsein wesentlich für Fortschritte und Empathie ist.
Interessant ist auch, dass Ottavia Stein den Namen „Herd“ gewählt hat. Eine Herde ist im Allgemeinen eine Gemeinschaft, die zusammen reist, lebt und sich gegenseitig beschützt. Der Name kann also auch als Symbol für den menschlichen Reflex interpretiert werden, Schutz und Zusammenhalt zu bieten, selbst in Zeiten größten Unrechts.
Die Entstehung eines solchen Denkmals ist nicht unproblematisch. Kritiker sehen oft die Rückbesinnung als hinderlich für die Heilung einer Gesellschaft. Manche behaupten, ständige Erinnerungen könnten den Fortschritt behindern oder Schmerz wieder aufreißen. Doch ist es nicht wichtig, auch diese Stimmen zu hören und zu verstehen? Entscheidende Fragen sind, wie wir als Gesellschaft Gerechtigkeit herstellen können und welche Rolle solche Erinnerungen dabei spielen.
In einer Zeit, in der Rassismus erneut zu einem Problem wird und Ungerechtigkeiten sichtbar gemacht werden, ist eine Plattform für Erinnerungskultur unverzichtbar. Wichtig ist es, dass gerade junge Menschen diese Diskussionen aufnehmen, sie weiterführen und nicht zulassen, dass solche Themen in Vergessenheit geraten. "Herd: Denkmal für die Versklavten" gibt uns die Plattform, die wir benötigen, um nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart zu hinterfragen.
Dieser Ort ist ein Hilfsmittel für die Bildung, aber auch für das persönliche und kollektive Gedächtnis. Es macht uns die Unmenschlichkeit der Vergangenheit bewusst und fordert uns auf, heute besser zu handeln. Mit realen Konsequenzen der Geschichte konfrontiert zu werden, kann schmerzhaft sein, aber es ist ein notwendiger Weg zur Heilung und zum Aufbau einer gerechteren Gesellschaft.
In der Diskussion über Denkmäler, die sensiblen historischen Themen gewidmet sind, treten gegensätzliche Positionen auf: Vergessen oder Memorieren? Eine Intervention in einem öffentlichen Raum, wie das „Herd“, kann oft polarisieren. Doch das Wesentliche ist, dass wir weiterhin Meinungen austauschen und gemeinsam lernen. Solche Denkmäler sind nicht nur Orte des Lernens, sie sind Angebote zur Versöhnung. Wer sie besucht, wird eingeladen, seine Vorurteile zu prüfen und weiser hervorzugehen.
Jeder Besuch des „Herd: Denkmal für die Versklavten“ ist eine persönliche Reise. Diese Reise kann ermutigend, verstörend oder aufschlussreich sein – das hängt von der Bereitschaft des Einzelnen ab, sich auf die Herausforderungen und Lektionen aus der Geschichte einzulassen. Jeder wird willkommen geheißen, sich selbst in der Vergangenheit und Gegenwart zu fragen, wem Freiheit daher verweigert wird und was wir als Menschen tun können, um das zu ändern.