Das magische Pseudonym „Eivets Rednow“ kann einem am Anfang wie ein kryptischer Code erscheinen. Tatsächlich handelt es sich hier um die eher weniger bekannte, aber faszinierende Schöpfung eines der größten Soul-Musiker der Welt, Stevie Wonder. Im Jahr 1968 veröffentlichte dieser unter diesem Anagramm von seinem echten Namen „Stevland Morris“ ein Album mit dem Titel „Eivets Rednow“. Das Album war ein Ausflug in den Jazz und Easy Listening – weit entfernt von dem, wofür Wonder berühmt wurde. Für viele ein Sprung in eine fast andere musikalische Dimension, zeigt es doch die beeindruckende Bandbreite dieses Künstlers.
Stevie Wonder, ein Name, der Millionen Menschen auf der ganzen Welt ein Begriff ist, normalerweise assoziiert mit herzzerreißendem Soul und kraftvollen Melodien. Sein voller Name ist Stevland Hardaway Morris, und er begann seine Karriere als musikalisches Wunderkind bei Motown. Warum also die Entscheidung, ein Album unter einem Anagramm zu veröffentlichen? Die Antwort liegt wohl im kreativen Drang eines Künstlers, der nicht auf ein Genre festgelegt werden möchte. In einer Welt, in der Musiker oft nach ihrem letzten Hit beurteilt werden, suchte Stevie die Freiheit, ohne Erwartungen zu experimentieren.
Gewiss ist diese Entscheidung etwas ungewöhnlich. Viele würden argumentieren, dass Stevie Wonder bei seinem angestammten Genre hätte bleiben sollen. Sein Album „Talking Book“ oder „Songs in the Key of Life“ besitzen eine Intensität und Emotionalität, die im Jazz-Pop von „Eivets Rednow“ fehlt. Doch gerade diese Vielfalt macht seine Karriere bemerkenswert. Seine Fähigkeit, verschiedene Instrumente zu beherrschen und Neues zu wagen, fasziniert. Es wäre leicht, Wonder auf seine Hits zu reduzieren, aber „Eivets Rednow“ gibt uns die Chance, seine Musik aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es zeigt einen Künstler, der für Neugierde und Experimentierfreude steht.
„Eivets Rednow“ unterscheidet sich grundlegend von seinen anderen Alben. Der Instrumental-Charakter der Songs hebt diesen Aspekt noch stärker hervor. Kein Gesang, nur die Musik spricht für sich selbst. Es ist ein Werk, das eher mit einem Ohr für die Nuancen des Jazz zu schätzen ist. Stevie Wonder's harmonisches und oft hypnotisierendes Spiel auf der Mundharmonika ist ein besonderes Highlight des Albums.
Die Kritiken damals waren gemischt, aber dies ist oft der Fall, wenn ein Künstler sich aus seiner Komfortzone wagt. Es ist leicht, ein Risiko zu missbilligen, insbesondere wenn man glaubt, dass ein Talent vergeudet wird. Aber könnte es nicht genauso gut sein, dass ein solches Risiko Wachstum ermöglicht? Künstler und ihre Kunst können nicht statisch bleiben. Sie müssen sich entfalten, so wie es auch Stevie Wonder mit diesem Album getan hat.
Aus einer gesellschaftspolitischen Perspektive lässt sich darüber spekulieren, ob die Verwendung eines Pseudonyms auch als ein subtiler Kommentar zur Identität in der Musikindustrie dient. Sind Künstler gezwungen, eine bestimmte Identität aufrechtzuerhalten, um erfolgreich zu sein? Hinterfragen wir genügend, wie vermarktete Identitäten Künstlerformen beeinflussen und manchmal sogar ersticken? Indem Stevie Wonder als Eivets Rednow auftritt, macht er genau diese Frage greifbar.
Um die Perspektive derer zu verstehen, die an traditionellen Maßstäben festhalten, muss man zugeben, dass wirtschaftlicher Erfolg im Musikgeschäft oft mit Wiederholung bewährter Formeln assoziiert ist. Warum Experimente wagen, wenn das Publikum wiederkehrende Hits wünscht? Tatsächlich hätte das gleiche Label, das ihn so unterstützte, ihn auch für ein mögliches Scheitern verantwortlich machen können.
Für die Generation Z, die heutige Konsumenten, könnte Stevie Wonders Schritt von besonderem Interesse sein. Wir leben in einer Zeit, in der Authentizität und Originalität neu betrachtet werden. In einer Welt, in der Streaming-Plattformen es ermöglichen, Nischengenres zu erkunden, sind solche Experimente eher willkommen als auch riskant gesehen. Sie bieten eine einladende Vielfalt und ermöglichen es uns, außerhalb unseres angestammten Hörens zu denken.
„Eivets Rednow“ mag nicht das erfolgreichste Album von Stevie Wonder sein. Dennoch bleibt es ein interessanter und wichtiger Teil seiner Entwicklung als Künstler. Es zeigt, dass selbst Meisterwerke wie „Superstition“ oder „Isn't She Lovely“ nur einen Teil seines kreativen Spektrums darstellen. Hinter jedem bemerkenswerten Künstler steht eine Reihe von Entscheidungen, die von Entmutigung und Begeisterung bis zu innovativen Sprüngen reichen. Genau das macht das Hören und Entdecken eines Albums wie „Eivets Rednow“ zu einem lohnenden Erlebnis für jeden Musikliebhaber. Sein Einfluss reicht über das hinaus, was klassisch als Erfolg oder Misserfolg bewertet wird.