(Bis) Ich Dich Küsste – schon der Titel klingt wie ein Versprechen einer Gefühlsachterbahn, und das ist es auch, was Sarina Bowen 2019 geschaffen hat. Stell dir vor, du bist Gryff, ein junger Mann, dessen solides und äußert strukturiertes Leben auf den Kopf gestellt wird, als er seine Jugendliebe Andreas wiedertrifft. Der bemerkenswerte Moment, den sie miteinander teilen, ist nicht einfach ein Kuss; es ist der Beginn einer Reise der Selbstentdeckung und mutiger Entscheidungen. Bowen webt eine Geschichte, die nicht nur Herzklopfen beschert, sondern auch Fragen nach Akzeptanz und Identität in einer Welt aufwirft, die sich leider oft Toleranz auf die Fahnen schreibt, aber die Realität nicht immer abgebildet wird.
Der Roman spielt in der malerischen Kulisse Vermonts und greift Themen auf, die jenen von Generation Z wohlbekannt sind: die Suche nach der eigenen Identität und den Mut, zu der Person zu stehen, die man wirklich ist. Was diesen Roman so interessant macht, ist seine realistische Darstellung von Konflikten, die bei der Auseinandersetzung mit Liebe und Identität auftreten können. Bowen gelingt es, die komplizierte Dynamik zwischen den Charakteren so einzufangen, dass man sich in jeder Zeile wiederfindet. Gryffs Unbehagen und seine gleichzeitige Anziehungskraft gegenüber Andreas (auch Andy genannt) ermöglichen es uns, die emotionalen Zwänge zu verstehen, die jemand erlebt, der sich zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und seinem wahren Ich hin- und hergerissen fühlt.
Dieser Roman ist keine oberflächliche Liebesgeschichte, sondern eine tiefgreifende Untersuchung menschlicher Bindungen und der verschiedenen Facetten von Liebe. Es ist bemerkenswert, wie Bowen die innere Zerrissenheit von Gryff beschreibt, während er zwischen seiner kariereorientierten Lebensweise und seinem Verlangen nach authentischer Verbindung schwankt. Die liberalen Themen der Akzeptanz und Gleichberechtigung ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch, ohne jemals predigend oder erdrückend zu sein.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie Bowen aktuelle gesellschaftliche Themen in ihre Fiktion einwebt. Sie gibt nicht vor, einfache Lösungen für komplexe Probleme zu haben, sondern zeigt stattdessen, wie bedeutend es ist, offen für Gespräche über sexuelle Identität und Liebe zu sein. Diese Offenheit ist besonders wichtig in einer Welt, die immer noch mit Ungerechtigkeiten und Vorurteilen konfrontiert ist – Themen, die für viele Jugendliche alarmierend gegenwärtig sind.
Doch es wäre ein Fehler, den Roman für eine reine LGBTIQ+-Geschichte zu halten. Er berührt universelle Konzepte wie Ehrlichkeit, Selbstvertrauen und die Kraft der Liebe. Wir alle tragen unterschiedliche Masken, je nachdem, wer wir zu sein wollen und wer uns die Gesellschaft sagt, dass wir sein sollen. Gryffs und Andys Geschichte lehrt uns, diese Masken abzulegen und unser wahres Ich zum Vorschein zu bringen.
Spannend an (Bis) Ich Dich Küsste ist auch, wie es aufzeigt, dass nicht jeder gleich mutig und stark mit seinen Gefühlen umgeht. Während Gryff versucht, alles in eine Schublade zu stecken, ist Andy offener und mutiger in seiner Sexualität und Identität. Dies führt zu spannenden Dialogen und emotionalen Momenten, die für den Leser nachvollziehbar und glaubhaft sind.
In unserer heutigen Zeit, in der der Weg zur Akzeptanz zwar geöffnet, aber noch lange nicht vollendet ist, wirkt der Roman wie ein Spiegel unserer Gesellschaft. Er lädt uns dazu ein, nicht nur in den Schuhen der Charaktere zu stehen, sondern auch ein Stück mehr Verständnis für die Kämpfe zu entwickeln, die viele von uns täglich ausfechten.
Wenn du also auf der Suche nach einem Buch bist, das dir nicht nur eine wundervolle Liebesgeschichte bietet, sondern auch zum Nachdenken anregt und dich dazu einlädt, dich den großen Fragen deiner eigenen Identität zu stellen, solltest du diesen Roman unbedingt in Betracht ziehen. Die Geschichte von Gryff und Andy ist eine, die im Kopf bleibt, lange nachdem die letzte Seite gelesen ist.